Kindergeld beim Auslandsstudium im Drittland: Wann bleibt der Anspruch erhalten?
Viele junge Menschen entscheiden sich nach dem Schulabschluss für ein Studium im Ausland – darunter auch außerhalb der EU oder des EWR, also in sogenannten Drittstaaten wie der Türkei, den USA oder Kanada. Für Eltern stellt sich dabei häufig die Frage: Besteht trotz Auslandsstudium weiterhin ein Anspruch auf Kindergeld?
Die Antwort: Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Kindergeldanspruch auch bei einem Studium im Drittland bestehen bleiben. Entscheidend ist, ob das Kind seinen Wohnsitz in Deutschland beibehält. In diesem Beitrag erläutern wir die Voraussetzungen, typische Nachweispflichten und worauf Familien besonders achten sollten.
Grundsatz: Wohnsitz im Inland erforderlich
Ein Kindergeldanspruch besteht grundsätzlich nur, wenn das Kind entweder in Deutschland, einem EU-Mitgliedstaat oder im EWR seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Beginnt das Kind jedoch ein Vollzeitstudium in einem Drittstaat, geht die Familienkasse zunächst von einem Wohnsitzwechsel aus – mit der Folge, dass der Anspruch auf Kindergeld entfällt.
Doch: Ein Verlust des Anspruchs lässt sich vermeiden, wenn das Kind weiterhin über einen inländischen Wohnsitz verfügt – konkret bei den Eltern.
Rechtsprechung des BFH: Nutzung der elterlichen Wohnung ist entscheidend
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bleibt der Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind die Wohnung der Eltern während der ausbildungsfreien Zeiten überwiegend nutzt. Entscheidend ist die tatsächliche Nutzung – nicht allein die melderechtliche Anmeldung.
Maßgeblich ist das jeweilige Ausbildungsjahr. Dieses weicht häufig vom Kalenderjahr ab und beginnt zum Beispiel im September und endet im Juli. Für die Prüfung, ob der Wohnsitz erhalten bleibt, ist die vorlesungsfreie Zeit entscheidend.
Beispiel: Bei 14 Wochen vorlesungsfreier Zeit müsste sich das Kind mindestens 50 Tage pro Ausbildungsjahr nachweislich in der elterlichen Wohnung aufgehalten haben, um den Wohnsitz im Inland aufrechtzuerhalten. Wird diese Grenze nicht erreicht, entfällt der Kindergeldanspruch rückwirkend zum Beginn des Ausbildungsjahres.
Ausnahmen bei besonderen Umständen
In Ausnahmefällen – etwa bei pandemiebedingten Reiseverboten, Naturkatastrophen oder schwerer Krankheit – kann die Unterschreitung der Mindestaufenthaltsdauer gerechtfertigt sein. Hier kommt es auf eine sorgfältige Dokumentation und überzeugende Begründung an.
Nachweispflichten: Diese Unterlagen sind wichtig
Die Anforderungen an den Nachweis eines inländischen Wohnsitzes sind hoch. Die Familienkasse oder das Finanzgericht verlangen regelmäßig folgende Nachweise:
- Flugtickets, Bordkarten oder Reisepass-Stempel
- Mietverträge, Grundrisse oder Fotos des Zimmers
- Bestätigungen über Nebenjobs, Praktika oder Studienleistungen im Inland
- Ärztliche Bescheinigungen oder behördliche Schreiben
- Detailliertes Kalendarium über alle Inlandsaufenthalte
Eine reine melderechtliche Anmeldung reicht nicht aus. Kommt es zu einem Streitfall, sollte das Kind als Zeuge benannt werden. Auch eine eidesstattliche Versicherung kann die Glaubhaftmachung stärken.
Beengte Wohnverhältnisse: Was gilt in der Praxis?
In Haushalten mit mehreren Kindern oder bei begrenztem Wohnraum ist der Nachweis eines eigenen Wohnsitzes besonders herausfordernd. Dennoch kann auch unter solchen Umständen ein Kindergeldanspruch bestehen bleiben, wenn die tatsächliche Nutzung der elterlichen Wohnung glaubhaft gemacht wird.
Hilfreich sind:
- Zimmerpläne und Fotos
- Zeugenaussagen von Mitbewohnern oder Familienangehörigen
- Hinweise auf kulturell übliche Wohnformen wie Mehrgenerationenhaushalte
- Eine nachvollziehbare Darstellung der familiären Wohnsituation
Die Praxis zeigt: Je besser die individuelle Situation dokumentiert wird, desto höher ist die Chance auf Anerkennung.
Fazit: Gründliche Planung schützt den Kindergeldanspruch
Ein Studium im Ausland muss nicht automatisch zum Verlust des Kindergelds führen. Entscheidend ist, ob das Kind auch während des Studiums regelmäßig und nachvollziehbar zur elterlichen Wohnung zurückkehrt. Frühzeitige Planung, lückenlose Nachweise und eine sorgfältige Dokumentation sind der Schlüssel, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.
Tipp: Lassen Sie sich frühzeitig steuerlich beraten, wenn Ihr Kind ein Studium im Ausland plant. So können Sie von Anfang an sicherstellen, dass der Kindergeldanspruch nicht gefährdet wird.